
Meinung
Bouldern: Ein Plädoyer dafür, Dinge zu versuchen, die du (vermeintlich) hasst
von Stefanie Lechthaler
Beim Anblick von Schrauben, Farbtöpfen und Brettern werde ich schwach.
Ich muss dir was gestehen: Obwohl ich bei einem Onlineshop arbeite, liebe ich Baumärkte. Diese riesig großen Hallen, vollgestopft bis unters Dach mit Schrauben, Dübeln, Farben, Pinseln, Bohrmaschinen, Sägeblättern, Hölzern, Blumentöpfen, Pflanzen … Ich könnte stundenlang durch die Gänge schlendern und alles angucken, anfassen und bestaunen.
Allein schon der Geruch macht was mit mir. Ich muss nur die heiligen Baumarkt-Hallen betreten und es ist um mich geschehen. Es riecht nach Holz, Öl und Lack. Diese unverwechselbare Mischung, die sagt: Hier nimmt alles seinen Anfang. Jedes aufgehängte Bild, jede renovierte Küche.
Jede Abteilung hat ihren eigenen Geruch. Die Gänge mit den Gerätschaften riechen nach Metall und Schmiere. Ein paar Meter weiter gibt es Parkett und Bauholz. Hier duftet es nach Wald. Bilde ich mir jedenfalls ein. Und dann erst die Abteilung mit den Pflanzen und Blumentöpfen. Wie ein Spaziergang durch den Dschungel – komprimiert auf wenige Quadratmeter.
Am höchsten schlägt mein Herz bei den Farben. Wenn sich die Töpfe mit den unterschiedlichsten Tönen, die sich manchmal nur in Nuancen unterscheiden, meterhoch stapeln, fühle ich mich wie ein kleines Kind im Bonbonladen. Vor meinem inneren Auge erscheinen kräftig lackierte Möbel, zart gestrichene Wände. Ich sehe mich den Pinsel schwingen und Farbkleckse vom Boden wischen.
Nicht zu vergessen die unzähligen Schrauben, Muttern, Nägel und Unterlegscheiben. Sie glitzern in ihren Verpackungen und flüstern mir zu: «Nimm uns mit. Wer weiß, wozu du uns noch brauchst.»
Vielleicht liegt es daran, dass ich aus einer Handwerkerfamilie komme – und immer ein leichter Werkstattgeruch durch unser Haus wehte. Mein Papa war Kfz-Mechaniker, mein Opa Maurer. Wenn irgendwas kaputt war, hat Papa es repariert. Ich erinnere mich noch daran, wie er und Opa «mal eben» unsere Terrasse neu gepflastert haben. Oder neue Fenster ins Schlafzimmer eingebaut haben, frisch gemauerte Wand inklusive.
Als Kind stand ich staunend daneben und habe geholfen, wo ich konnte. Und wenn ich nur einen Ziegelstein getragen habe. Ich weiß noch, dass Papa mir als Dreijährige einen kleinen Hammer, ein paar Nägel und ein Brett in die Hand gedrückt hat. «Hier, probier mal. Es ist wichtig, dass du das kannst.» Keine Ahnung, wie oft ich mir damals mit meinem Mini-Hämmerchen auf den Daumen gehauen habe. (Und Mama bestimmt stinksauer auf Papa war.) Dafür weiß ich heute, wie man hämmert, bohrt und streicht.
Ich bin mir sicher, damals habe ich mich mit dem Baumarkt- und DIY-Virus infiziert. Es ist einfach ein erhebendes Gefühl, Dinge selbst erschaffen zu können. Nach meinen eigenen Vorstellungen, mit meinen eigenen Händen. Wie meine Küche, die nun endlich fertig ist. Auch wenn ich selbst fast nicht mehr daran geglaubt habe.
Wäre ich nicht Journalistin geworden, hätte ich wahrscheinlich einen handwerklichen Beruf ergriffen. Tischlerin oder Malerin.
Hach, genug geträumt. Ich muss noch kurz in den Baumarkt. Die hatten da letztens so tolle Blumentöpfe…
Gibt es Gleichgesinnte – oder bin ich die einzig Verrückte? Bitte melde dich in den Kommentaren.
Als Kind wurde ich mit Mario Kart auf dem SNES sozialisiert, bevor es mich nach dem Abitur in den Journalismus verschlug. Als Teamleiterin bei Galaxus bin ich für News verantwortlich. Trekkie und Ingenieurin.