Fünf Punkte, in denen Tupperware unser Leben verändert hat
Meinung

Fünf Punkte, in denen Tupperware unser Leben verändert hat

Patrick Vogt
12-4-2023

Tupperware sitzt buchstäblich vor leeren Schüsseln. Den US-Plastikdosenhersteller plagen akute Liquiditätssorgen und der Aktienkurs ist um rund die Hälfte eingebrochen. Das wirft Fragen auf: Wie hat Tupperware unser Leben verändert, gibt es ein Leben danach und wie war es eigentlich davor?

Die Erfolgsgeschichte von Tupperware nahm vor bald 80 Jahren ihren Lauf. 1946 brachte das von Earl Silas Tupper gegründete Unternehmen die ersten zivilen Produkte für den Haushalt auf den Markt. Zuvor hatte Tupper das US-Militär im Zweiten Weltkrieg mit Lebensmittelbehältern und diversen Kunststoffteilen beliefert.

Die Vorteile der Plastikgefässe sind bis heute die gleichen: Sie sind einfach herzustellen, leicht, nahezu unzerbrechlich und zumindest bis zu einem gewissen Grad geschmacks- und geruchsneutral. Der Hauptnachteil von Tupperware: Es ist aus Plastik: dem Stoff, der Mensch und Umwelt immer mehr zu schaffen macht und von dem es schon mehr als genug auf der Welt gibt.

Nichtsdestotrotz, in den meisten Haushalten und Küchen ist Tupperware nicht mehr wegzudenken. Nachfolgend findest du eine unvollständige Liste, wie und wo die kleinen, mittleren und grossen Plastikbehälter unser Leben und unsere Gewohnheiten nachhaltig verändert haben:

1. Das obligatorische Tupperware-Chaos

Die Küche ist ein Ort der Sauberkeit und Ordnung. Besteck, Geschirr und Vorräte, alles hat seinen festen Platz und wird fein säuberlich eingeräumt, gestapelt und aufgetürmt. Wirklich alles? Nein! Jede noch so aufgeräumte Küche hat ihr Sodom und Gomorra: Die Tupperware-Schublade oder der Tupperware-Schrank. An diesem Ort des Grauens herrscht ein Wildwuchs sondergleichen. Rechteckige Plastikbehälter paaren sich hemmungslos mit runden, Deckel blockieren die Schublade oder verschwinden spurlos (von wegen «Jeder Topf findet seinen Deckel»!).

Kommt dazu, dass die eigenen Essensbehälter früher oder später auf eine unendliche Reise durch ungezählte andere Haushalte gehen. Was halb so wild ist, da sie sowohl ungefragt als auch unausgesprochen durch Behälter von Familie, Freunden und Bekannten ersetzt werden. Willkommen im perfekten Tupperware-Kreislauf, einem «(Tup)perpetuum mobile» quasi.

Ich habe mir vor einigen Jahren mal die Mühe gemacht und unsere Tupper-Schublade zu Hause picobello aufgeräumt und geordnet … Der Zustand hielt keine Woche.

Kann aus Chaos Ordnung entstehen?
Kann aus Chaos Ordnung entstehen?
Quelle: Patrick Vogt

2. Das Vorkochen

Seit einigen Jahren steht das Vorkochen von Mahlzeiten wieder hoch im Kurs. Damit es cooler rüberkommt, nennt man es heute einfach «Meal Prepping». Hobbyköchinnen und -köche stehen das ganze Wochenende in der Küche und bereiten aufwendige Mittagsmenüs zu und vor, die dann feinsäuberlich in mit den Wochentagen beschriftete Plastikbehälter abgepackt werden. Diese Tupper-Orgie landet jeweils am Montag im firmeninternen Gemeinschaftskühlschrank, in dem wegen anderer Meal Prepper chronischer Platzmangel herrscht. Immerhin, Firmenkühlschränke haben dadurch eine Existenzberechtigung erlangt.

3. Tupperware als Ausrede

Eine steile These: Tupperware trägt massgeblich zum sozialen Frieden in der Gesellschaft bei.

Wie ich darauf komme?

So: Stell dir vor, du bist bei jemandem zum Essen eingeladen, den du eigentlich gar nicht mal so magst. Absagen ist aber aus Gründen keine Option, zum Beispiel, wenn die Einladung von den Schwiegereltern kommt. Also mimst du den vorbildlichen Gast, setzt ein freundliches Gesicht auf und isst, auch um möglichst wenig Konversation betreiben zu müssen.

Aber ganz egal, wie viel du isst, es hat immer Reste. Und hier kommt die Tupperware ins Spiel: Statt am folgenden Abend gleich nochmals zum Essen mit unliebsamer Gesellschaft antanzen zu müssen, lässt du dir die Reste in die praktischen Plastikbehälter einpacken und verspeist sie dann in aller Ruhe zu Hause. Das mindert das Eskalationsrisiko enorm und trägt dazu bei, dass der Haussegen nicht schief hängt.

Tipp für Fortgeschrittene: Bringt gleich euer eigenes Tupper-Geschirr mit, dann steht ihr danach nicht auch noch in der Bringschuld.

4. Tupperware vertagt Foodwaste

Apropos Essensreste: je nach Köchin oder Koch gibt es die regelmässig. Zumindest früher stand dann häufig Resteessen auf dem Speiseplan, und zwar so lange, bis alles weg war. Das mögen nicht alle und ist auch nicht mehr zwingend nötig. Heute packst du Reste ganz einfach in eine Frischhaltebox und stellst sie in den Kühlschrank.

Im besten Fall holst du sie zwei Tage später raus und wärmst sie auf (dann hat sich das Resteessen zumindest etwas verzögert) … in den allermeisten Fällen jedoch vergessen du und ich die Reste in den Untiefen des Kühlschranks und werfen sie Wochen später in den Abfall. Teilweise mitsamt dem Tupperware, weil wir uns nicht trauen, den Auswüchsen unserer Vergesslichkeit in die Augen zu schauen.

Deshalb müssen wir an dieser Stelle ehrlich und kritisch mit uns selbst sein: Im Kampf gegen Foodwaste ist Tupperware eine stumpfe Waffe. Plastikbehälter verhindern die Verschwendung von Lebensmitteln ganz häufig nicht, wir (zumindest ich) schieben sie einfach auf die lange Bank.

5. Kreativ dank Tupperware

Tupperware ist in den verschiedensten Farben erhältlich. Möchtest du es noch bunter? Kein Problem: Bewahre besonders farbintensive Lebensmittel wie beispielsweise Tomatensauce lange genug darin auf, und schon erhält die Plastikbox ihre ganz persönliche Färbung. Machst du das genug oft und lange, helfen alle Tipps zum Saubermachen wie Backpulver und Zitronensäure nichts mehr: Der Rotstich oder besser gesagt deine persönliche Farbnote bleibt.

Kollege Balissats «Cabaret Rotstich».
Kollege Balissats «Cabaret Rotstich».
Quelle: Simon Balissat

Earl Silas Tupper hat mit seiner Erfindung zweifellos einiges bewirkt und unsere Gewohnheiten verändert. Sollte es mit seinem Unternehmen nun tatsächlich bachab gehen, ist das dennoch kein Grund zum Verzweifeln. Längst gibt es zahllose Nachahmer, die Frischhaltebehälter aus Kunststoff herstellen und verkaufen, und das auch noch günstiger als das Original.

Was all diese Produkte wiederum gemeinsam haben – wir nennen sie Tupperware. Das Produkt wurde längst zur Marke, unabhängig vom Hersteller. Dem möglichen Tod von Tupperware zum Trotz können du und ich also weiterhin völlig entspannt «meals preppen» und Essensreste in Plastikboxen verpacken, um sie dann im Kühlschrank zu vergessen.

Dem US-Unternehmen selbst darf man dennoch viel Glück und Erfolg im Kampf ums Überleben wünschen, nur schon wegen der mehr als 10 000 Angestellten weltweit. Wer weiss, vielleicht könnte ein völlig neues Produkt zur fulminanten Wiederauferstehung von Tupperware beitragen. Wir hätten da jedenfalls schon mal eine Idee.

Fürs Patent bitte bei unserem Hauscartoonisten anklopfen.
Fürs Patent bitte bei unserem Hauscartoonisten anklopfen.
Quelle: Stephan Lütolf
Titelcartoon: Stephan Lütolf

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Ich bin Vollblut-Papi und -Ehemann, Teilzeit-Nerd und -Hühnerbauer, Katzenbändiger und Tierliebhaber. Ich wüsste gerne alles und weiss doch nichts. Können tue ich noch viel weniger, dafür lerne ich täglich etwas Neues dazu. Was mir liegt, ist der Umgang mit Worten, gesprochen und geschrieben. Und das darf ich hier unter Beweis stellen. 


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