
Hintergrund
«Pokémon Legends Z-A» Vorschau aus Paris: das beste «Pokémon»-Spiel seit langem?
von Domagoj Belancic
Die neuen «Pokémon»-Releases haben viele Schwächen, keine Frage. Doch in mancher Hinsicht hat sich die Reihe enorm verbessert.
Die neuen «Pokémon»-Spiele – inklusive des kürzlich erschienenen «Pokémon Legends: Z-A» – werden oft kritisiert. Schlechte Grafik, miese technische Umsetzung, lahme Geschichten. Früher seien die Games viel besser gewesen.
Bei all dem negativen Stimmen geht jedoch vergessen, wie viele Verbesserungen die Spielserie in den letzten Jahrzehnten mit sich gebracht hat.
Früher war eben nicht alles besser. Wenn ich «Pokémon Rot und Blau» spiele, merke ich, dass die Klassiker 30 Jahre auf dem Buckel haben. So sehr ich die ersten Editionen auch liebe, gehen mir einige ihrer Macken gehörig auf den Senkel.
Deswegen zeige ich dir hier, was «Pokémon» ausnahmsweise nicht verschlechtert, sondern verbessert hat.
Wer moderne Videospiele gewöhnt ist, dürfte sich bei den ersten «Pokémon»-Editionen mehrfach mit alten Limitationen konfrontiert sehen. Das beginnt beim mühsamen Boxen-Management von «Rot und Blau» und «Gold und Silber».
Das ist aber nicht das Schlimmste.
Sobald eine Box gefüllt ist, kann ich erstmal keine wilden Pokémon fangen, bis ich die Box manuell am PC in einem Pokémon Center ändere. Und weil sich die Boxen aufgrund ihrer geringen Kapazität so schnell füllen, ist das ständig der Fall.
Noch schlimmer wird es mit dem begrenzten Inventar für Gegenstände. Auch hier stehen mir in «Rot und Blau» 20 Plätze zur Verfügung. Den Rest kann ich wie die Taschenmonster im PC lagern. In Anbetracht dessen, dass ich Gegenstände für den Kampf brauche, feste Items wie das Fahrrad ebenfalls griffbereit haben möchte und ständig Neues finde, verbringe ich viel zu viel Zeit mit dem Inventarmanagement.
Diese Lagerungslimitationen hängen wahrscheinlich mit der damaligen Hardware des Game Boys zusammen. Ab der dritten «Pokémon»-Generation für den Game Boy Advance wurden die Begrenzungen aufgehoben und im Falle der Boxen sogar mit einer übersichtlicheren Darstellung versehen. Ausserdem kommen neu gefangene Taschenmonster automatisch in die nächste freie Box, sobald die aktuelle voll ist.
Ein Traum, im Vergleich zu früher.
In der ersten «Pokémon»-Generation bewegt sich meine Spielfigur bis zum Erhalt des Fahrrads im Schneckentempo fort. Und selbst dann kann ich das Fahrrad nur ausserhalb von Gebäuden benutzen.
Sobald ich ein Haus betrete, steige ich automatisch vom Drahtesel ab und muss ihn draussen wieder ausrüsten. Ein Prozess, für den ich jedes Mal ins Menü muss. Die Spiele der zweiten Generation («Gold und Silber») haben das Problem mit einer Schnellwahlfunktion gelöst. Damit wähle ich einen Gegenstand aus (meistens das Fahrrad), den ich über das Drücken der Select-Taste ohne Menü-Umwege aktiviere.
Ab der dritten Generation mit «Rubin und Saphir» bin ich noch zügiger unterwegs. Ich bekomme die Turbotreter, mit denen ich rennen kann – sowohl drinnen als auch draussen. Sie sind zwar weniger schnell als ein Fahrrad, doch die Zeiten des Schneckentempos gehören mit ihnen endlich der Vergangenheit an.
Vor den Switch-Spielen hat «Pokémon» als Rollenspiel-Reihe auf Zufallskämpfe gesetzt. Deswegen waren die Schutz-Items ein Segen. Mit ihnen konnten – für eine bestimmte Anzahl Schritte – Begegnungen mit schwächere Pokémon vermieden werden. Ab der fünften Generation mit «Schwarz 2 und Weiss 2» wird die Funktion noch besser. Bei jedem abgelaufenen Schutz fragt mich das Spiel, ob ich ihn mit einem einzigen Knopfdruck erneuern möchte.
Die Switch-Spiele haben die Notwendigkeit des Schutzes übrigens ganz eliminiert. Die Taschenmonster laufen in den Gebieten sichtbar herum, sodass ich sie ganz einfach umgehen kann.
Technische Maschinen (TMs) und Versteckte Maschinen (VMs, im nächsten Punkt mehr dazu) sind dafür da, um Pokémon Attacken beizubringen.
Ab der achten Spielegeneration mit «Schwert und Schild» ist das Entwicklungsstudio Game Freak wieder zum alten Konzept zurückgekehrt und hat «Technische Platten» eingeführt, die einmalig verwendet werden können.
Ab «Karmesin und Purpur» sind die TMs generell wieder nur einmalig nutzbar – mit einem entscheidenden Unterschied: Habe ich einmal eine TM gefunden, kann ich sie bei einer TM-Maschine durch den Einsatz einiger Materialien wiederherstellen. Dadurch soll die Nutzung der TMs überlegt bleiben, sie sind aber deutlich zugänglicher.
Ein guter Kompromiss, der Wertigkeit und Seltenheit der TMs in ein sinnvolles Gleichgewicht stellt.
Während die TMs optional sind, sind die VMs lange Zeit essenziell für den Spielfortschritt. Dazu zählen Attacken wie «Surfer» oder «Zerschneider», mit denen ich Wasser überquere oder Hindernisse kaputt mache.
Während die Geschichte der TMs ihre Höhen und Tiefen hat, waren sich die Fans bei den VMs schon immer einig: Die sind einfach nur nervig.
Das hat mehrere Gründe. Einerseits sind die VMs in Kämpfen meistens schwach oder gar nutzlos und nehmen einen von vier Attacken-Slots der Pokémon weg. Dennoch brauche ich die VMs, um in der Oberwelt und Geschichte voranzukommen.
Gleichzeitig lassen sich VMs in vielen Spielen nur mithilfe eines bestimmten NPCs, dem Attacken-Verlerner, vergessen. Spontan Attacken zu wechseln, ist also nicht möglich. Ich muss jedes Mal die umständliche Reise zum teilweise versteckten NPC zurücklegen.
Weil die VMs in Kämpfen so nutzlos sind, haben sich sogenannte «VM-Sklaven» etabliert. Das sind Pokémon, die viele VMs lernen können.
So weit, so gut. Die Sache mit den Werten geht aber noch eine Stufe weiter.
Achtung, jetzt wird’s nerdig: Jedes einzelne Pokémon hat individuelle Stärken (IS) von 0 bis 31 für jeden einzelnen Wert, die beim Schlüpfen aus den Eiern festgelegt werden. Das heisst: Mein Gengar mit vorbestimmten 0er-Werten auf Spezialangriff und Initiative ist deutlich weniger stark als ein Gengar mit 31er-Werten.
Apropos Zucht: Das ist auch eine Möglichkeit, um gezielt an schillernde Pokémon aka Shinys zu kommen. Das sind die Monster, die eine andere Farbe als das Original haben.
Wenn du «Pokémon» nicht oder nur oberflächlich kennst, scheint dieser Punkt im ersten Moment unwichtig. Wie kann die Trennung von Statuswerten so wichtig sein? Tatsächlich war das ein Prozess, der die gesamte Balance der Spiele unglaublich verbessert hat.
Das war für die Balance des Spiels fatal, weil Pokémon wie Simsala unfair stark waren. Simsala hatte als DAS Psycho-Pokémon schlechthin einen so hohen Spezialwert, dass es unglaublich widerstandsfähig war und die meisten Monster trotzdem locker eliminiert hat.
Ab der zweiten Generation mit «Gold und Silber» wurde der Spezialwert in Angriff und Verteidigung aufgeteilt, um die Überlegenheit von Pokémon wie Simsala auszugleichen.
Die Trennung des Spezialwertes in Angriff und Verteidigung ist nicht die einzige Werte-Änderung. Bis zur dritten Generation mit «Rubin und Saphir» waren die Attacken-Typen von Pokémon in physische und spezielle Kategorien eingeteilt. Das heisst, dass etwa alle Kampf- und Gestein-Attacken physisch waren, während alle Feuer- und Wasser-Attacken speziell waren.
Das war problematisch, weil nicht alle Pokémon eines Typs in denselben speziellen oder physischen Werten begabt sind. Nehmen wir das mächtige Pokémon Garados dafür als Beispiel:
Ab der vierten Generation mit «Diamant und Perl» hat sich Game Freak hingesetzt und für alle Attacken einzeln bestimmt, ob sie physisch oder speziell sind. Das hat für die Balance der Spiele eine Menge getan. Nun können auch Pokémon wie Garados von Attacken ihres eigenen Typs Gebrauch machen und vom daraus resultierenden Bonus profitieren.
Es ist heute kaum vorstellbar, dass Spiele, die auf den Tausch untereinander setzen, ohne Internetfunktion ausgekommen sind. Tatsächlich war das bis zur vierten Pokémon-Generation mit «Diamant und Perl» der Fall. Erst dann wurde der weltweite Pokémon-Tausch dank der Wi-Fi Connection des Nintendo DS Realität.
Zuvor brauchte es dafür zwei Game-Boy- beziehungsweise Game-Boy-Advance-Handhelds, die per Kabel miteinander verbunden wurden. Das ging natürlich nur vor Ort.
«Diamant und Perl» haben sowohl den direkten Tausch über Freundescodes hinzugefügt als auch eine globale Tauschstation, die GTS. Dadurch waren viele Gamer nicht mehr von ihrem direkten Umfeld abhängig, um den Pokédex zu komplettieren.
Die Verbindung über das Internet hat auch die Pforten für das kompetitive Spiel eröffnet. Deswegen gibt es seit der vierten Generation auch offizielle Pokémon-Turniere, in denen sich Trainer aus der ganzen Welt gegeneinander messen. Das Format ist stetig gewachsen und existiert bis heute.
Meinen ersten Text über Videospiele habe ich mit acht Jahren geschrieben. Seitdem konnte ich nicht mehr damit aufhören. Die Zeit dazwischen verbringe ich mit meiner Liebe für 2D-Husbandos, Monster, meinen Krawallkatzen und Sport.
Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.
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von Cassie Mammone
In der ersten «Pokémon»-Generation stehen mir nur zwölf Boxen à 20 Plätze zur Verfügung (insgesamt 240). Das genügt zwar locker für die damaligen 151 Pokémon, jedoch werden mir die Taschenmonster nur über eine simple Liste angezeigt. Ich kann sie zwar über die Select-Taste sortieren, aber das stellt sich als langwieriger Prozess heraus. Vor allem, wenn ich Pokémon zwischen den Boxen hin und her schieben möchte. Ausserdem: viel Spass beim Heraussuchen eines Pokémons, wenn du deinen Monstern gerne Spitznamen gibst.
Deswegen ist es in dieser Hinsicht auch jedes Mal eine Qual, zu den älteren Spielen zurückzukehren. Um in «Rot und Blau» in den Höhlen nicht regelrecht von Zubats überfallen zu werden, muss ich mich gefühlt alle 200 Schritte durchs Inventar scrollen, um den Schutz erneut zu aktivieren. Und dann sind da ja auch noch die begrenzten Inventarplätze, die die ganze Angelegenheit noch nerviger machen. ARGH!
Bis zur vierten «Pokémon»-Generation mit «Diamant und Perl» verschwinden TMs nach einmaliger Nutzung aus dem Inventar. Das ist besonders ärgerlich, weil viele Pokémon in den älteren Spielen nur wenige starke Attacken durch Levelaufstieg erlernen. Entsprechend wertvoll sind die TMs. Mit «Schwarz und Weiss» (Generation fünf) folgt dann der radikale Umbruch: TMs können nun unbegrenzt oft verwendet werden. Das macht das Spiel deutlich bequemer. Gleichzeitig verlieren die einst wichtigen Items jedoch auch einen Teil ihres Reizes.
Ein bekannter VM-Sklave ist Bidiza, weil es sich schnell auf Level 15 zu Bidifas weiterentwickelt. Dadurch kann es meist frühe VMs wie «Zerschneider» und «Zertrümmerer» lernen, dank der Entwicklung in einen Wasser-Typen auch «Surfer» oder «Kaskade». Bidiza hat sich als beliebte Wahl für einen VM-Sklaven etabliert, sodass die Pokémon Company dem Nagetier vor einigen Jahren mit dem folgenden Video sogar Tribut gezollt hat:
Daher heissen es die meisten Fans nur allzu willkommen, dass die VMs seit der siebten Generation mit «Sonne und Mond» der Vergangenheit angehören. Damals übernahm das «PokéMobil» die Funktion der VMs. Das ist ein Item, mit dem ich Taschenmonster herbeirufen kann, um in der Oberwelt voranzukommen. Sie transportieren mich durch schwieriges Terrain und beseitigen Hindernisse, ohne dass ich den Monstern in meinem Team VMs beibringen muss. Selbst nachfolgende Remakes wie «Strahlender Diamant und Leuchtende Perle» sind ohne VMs ausgekommen, obwohl sie in den Vorlagen noch vorgekommen sind.
Jedes Pokémon hat vorbestimmte Statuswerte. Während der Kampf-Muskelprotz Hariyama beispielsweise mit einem hohen physischen Angriffswert hervorsticht, jagt das beliebte Geist-Pokémon Gengar seinen Gegnern mit hohen Spezialangriffs- und Initiativewerten Angst ein. So ist für jede Pokémon-Art ein Set an Werten festgelegt.
Das ist in einem gewöhnlichen Spieldurchlauf kein Thema, sondern höchstens ein kleiner Bonus oder Malus. Für die kompetitiven Kämpfe in den Meisterschaften sind maximale IS-Werte jedoch ein Muss. Deswegen ist auch eine Kultur rund um die Pokémon-Zucht entstanden, die sich darum dreht, möglichst effizient an die stärkstmögliche Version der Taschenmonster zu kommen. Das Prozedere rundherum war aber immer langwierig und mühselig – bis die siebte Pokémon-Generation mit «Sonne und Mond» endlich das Super-Spezialtraining eingeführt hat.
Seitdem lassen sich die Werte der Pokémon über die Zucht und das Fangen hinaus verbessern. Für die Zucht ist zwar weiterhin ein Ditto mit perfekten IS als ein Elternteil empfohlen, ich muss aber endlich nicht mehr zig Eier bis zum perfekten Pokémon ausbrüten. Bei Pokémon, die ich nur fangen kann – beispielsweise legendäre Taschenmonster wie Mewtu – war es davor noch schlimmer. Ich muss vor dem Kampf gegen das Pokémon das Spiel speichern, es einfangen, die Werte überprüfen und das Spiel resetten, wenn sie nicht stimmen. Das sind stunden- bis tagelange (!) Prozesse.
Die Chance, auf ein Shiny zu treffen oder es auszubrüten, hat von der zweiten bis zur fünften Generation 1 zu 8192 betragen. Seit der sechsten Generation liegt die Wahrscheinlichkeit bei 1 zu 4096, also doppelt so hoch. Die Möglichkeiten, gezielt an Shinys zu gelangen, haben sich immer wieder verändert. In den neusten Switch-Spielen «Karmesin und Purpur» fühlt es sich dank der Sandwiches und der Massiven Aufläufe einfacher denn je an.
Doch fangen wir von vorne an, bei der ersten Generation: In «Rot, Blau und Gelb» haben Pokémon unter anderem einen Angriffs-, Verteidigungs- und Spezialwert. Angriff und Verteidigung gelten für physische Attacken. Diese hängen wie «Fusskick» oder «Tackle» mit Angriffen zusammen, die Muskelkraft nutzen. Der Spezialwert betrifft Attacken wie «Blubber» oder «Glut», die aus der Ferne kommen. In der ersten Generation galt der Spezialwert sowohl für den Angriff als auch die Verteidigung solcher Attacken.
Garados ist ein Pokémon vom Typ Wasser. Das heisst, dass Attacken vom Typ Wasser von einem Bonus profitieren. Leider bringt das Garados als physisch begabtem Pokémon wenig, weil die Wasser-Attacken allesamt speziell sind. Egal, wie mächtig und beeindruckend sein physischer Angriffswert ist, werden die Attacken seines eigenen Typs aufgrund des niedrigen Spezialangriffs immer schwach sein.