Rotes Licht für bessere Muskelerholung: Was steckt dahinter?
Hintergrund

Rotes Licht für bessere Muskelerholung: Was steckt dahinter?

Siri Schubert
27-12-2023

Wer sich mit Regeneration für Sportlerinnen und Sportler beschäftigt, wird unweigerlich über den Begriff «Nahinfrarotlicht» stolpern. Jüngst wurde auf der ISPO ein kleines, wasserfestes Rotlichttherapie-Gerät vorgestellt. Doch was hat es mit dem Trend auf sich?

Eines Abends sass ich in meinem Hotelzimmer und presste ein ovales Silikonteil mit 45 roten LED-Leuchten gegen meinen Nacken. Zehn Minuten lang. Dann wiederholte ich das Prozedere an meinem Ellbogen. Und schliesslich wickelte ich mir das Gerät um die Körpermitte, so dass die roten LED-Leuchten meinen unteren Rücken bestrahlten. Den ganzen Tag hatte ich mir die Füsse auf der internationalen Sportmesse ISPO platt gelaufen. Meine Muskeln waren müde und im Rücken spürte ich ein leichtes Ziehen. Als ich die Chance bekam, ein Gerät mit angeblich erholungsfördernder Wirkung auszuprobieren, griff ich zu.

Das Gerät weckt meine Neugier

«Body Pro» heisst das Gadget der Marke Lumaflex und war Teil eines Innovationswettbewerbs der ISPO. Obwohl es diesmal nicht für einen Preis reichte, hatte das Gerät zuvor bereits den «Best Inventions of 2023» Award des Time Magazins im Bereich Wellness eingeheimst. Grund genug für mich, die zugrundeliegende Technologie eines zweiten Blicks zu würdigen.

Der Lumaflex «Body Pro» wurde an der Sportmesse ISPO als Neuheit präsentiert.
Der Lumaflex «Body Pro» wurde an der Sportmesse ISPO als Neuheit präsentiert.
Quelle: ISPO

Vorab: Bei Geräten für den Hausgebrauch, die versprechen, mit Licht, Vibration oder anders gearteten Schwingungen gesundheitsfördernde Effekte zu erzielen, bin ich erst einmal skeptisch. Das war auch hier so. Doch da ich in letzter Zeit immer wieder über Artikel wie diesen im Wall Street Journal und wissenschaftliche Studien zum Thema Photobiomodulation (ja, ein umständliches Wort) gestolpert war, war meine Neugier geweckt. Auch entsprechende Kanäle auf Youtube widmen sich inzwischen vermehrt dem Nutzen von sichtbarem und unsichtbarem roten Licht. Was steckt hinter diesem Trend? Ich wollte tiefer in die Materie eintauchen.

Wer genauso gespannt ist wie ich, was sich hinter dieser Form der Lichttherapie verbirgt, darf mich gerne in den nächsten Abschnitten begleiten. Was du allerdings nicht erwarten darfst, ist ein ausführlicher Produkttest des Lumaflex «Body Pro». Den hatte ich nur eine Nacht bei mir, um mir einen ersten Eindruck zu verschaffen. Und der war soweit gut. Die Verarbeitung macht einen soliden Eindruck, das Bedienen ist einfach.

Wie wirkt rotes Licht?

Lichttherapie ist seit den 1960er-Jahren bekannt, als der ungarische Arzt Endre Mester mit Lasern experimentierte und herausfand, dass das Licht einer bestimmten Wellenlänge die Wundheilung und den Haarwuchs bei Ratten anregte. Es folgten Studien der NASA in den 1990er-Jahren, die zeigten, dass rote LED-Lampen die Photosynthese der Pflanzen im All sowie die Wundheilung der Astronauten auf der Erde verbesserte. Da aber die Wirkungsweise damals noch nicht klar war und Untersuchungen – wie so oft in der Wissenschaft – zum Teil widersprüchliche Ergebnisse brachten, versandeten die Forschungen. Rotlichttherapien rückten in die Ecke der Esoterik und wurden bald als Hokuspokus angesehen. Grund dafür waren nicht zuletzt überzogene Heilsversprechen eines US-amerikanischen Herstellers, die damit endeten, dass der Verantwortliche und zwei Distributoren der Geräte wegen Betrugs verurteilt wurden.

Das Misstrauen schwächte langsam wieder ab, als Wissenschaftler begannen, die Wirkungsweisen von rotem Licht in den Zellen aufzuzeigen. Vor allem auf Mitochondrien, die Kraftwerke der Zellen, die durch Krankheit oder Alterungsprozesse nicht mehr optimal arbeiten, hat langwelliges, kaltes Rotlicht einen positiven Einfluss.

Inzwischen gibt es Tausende von Studien zur Wirkung von Nahinfrarotlicht, die aber immer noch teilweise widersprüchliche Ergebnisse aufzeigen. Was es besonders verwirrend macht, ist die Tatsache, dass die Rotlichttherapie über die Jahre hinweg ihren Namen änderte: Von Low Level Laser Therapy zu Low Level Light Therapy, als man merkte, dass nicht nur Laser, sondern auch LED die gewünschten Effekte brachten, bis hin zu Photobiomodulation. Unter diesem Begriff wird heute über die Wirkung von langwelligem roten und nahinfrarotem Licht diskutiert. Zudem wird in den Untersuchungen zum Teil mit Licht unterschiedlicher Wellenlänge und mit verschiedener Stärke gearbeitet. Warum das wichtig ist? Die Wellenlänge beeinflusst die Tiefe, zu der das Licht ins Gewebe eindringen kann.

Was bringt Nahinfrarotlicht nach dem Sport?

Um im sprichwörtlichen Sinn etwas Licht ins Dunkel zu bringen, wende ich mich an Dr. Alexander Wunsch, der sich seit mehr als 30 Jahren mit dem Thema beschäftigt und auf den ich durch einen Artikel in der Sportärztezeitung aufmerksam wurde. «Der Körper hat Mechanismen entwickelt, mit denen er potentiell schädliches Licht, also sehr kurzwelliges und langwelliges Licht, möglichst an der Oberfläche ausfiltert. Nur harmloses oder zuträgliches Licht kann bis zu mehrere Zentimeter tief ins Gewebe eindringen», erklärt er. Dieses Licht umfasst Wellenlängen von 600 bis 1400 Nanometern. Es handelt sich dabei um kaltes Rotlicht am Rande und jenseits des sichtbaren Spektrums, das sich in Wellenlänge und Wirkung von warmem Rotlicht unterscheidet. Die Geräte, um die es bei der Photobiomodulation geht, haben also wenig mit den roten Wärmestrahlern, die beispielsweise bei Nasennebenhöhlenentzündung helfen sollen, oder mit der Infrarotsauna gemein.

Die LEDs mit sichtbarem und unsichtbarem roten Licht sollen Erholung und Heilung fördern.
Die LEDs mit sichtbarem und unsichtbarem roten Licht sollen Erholung und Heilung fördern.
Quelle: Siri Schubert

Im Sport könne das Near-Infrared-Light beispielsweise helfen, den Muskel (durch grössere Bereitstellung von ATP für die, die es genauer wissen möchten) länger kontraktionsfähig zu machen, erklärt der Mediziner. Dadurch ermüden die Muskeln nicht so schnell. Auch eine entzündungshemmende Wirkung in den Gelenken und Muskeln wurde festgestellt und in Studien gezeigt. Die Erholung nach anstrengendem Training und resultierenden kleinen Muskelschäden soll durch Nahinfrarotlicht ebenfalls verbessert werden.

Von der Forschung zur Praxis

Von wissenschaftlichen Studien bis zu einem Gerät, das ich für den Heimgebrauch kaufen kann, ist es natürlich noch ein grosser Sprung. «Grundsätzlich kann man bei der Wellenlänge von 630 bis 850 Nanometer nicht viel falsch machen», sagt Alexander Wunsch.
Einen Hinweis gibt mir der Experte allerdings noch mit auf den Weg: «Wenn keine Krankheit oder kein Schaden am Muskel und Gewebe vorliegen, sind die Effekte der Photobiomodulation auch nicht so gut spürbar.» Das heisst also, dass fitte, gesunde und sportliche Menschen wahrscheinlich weniger vom Nahinfrarotlicht merken werden als beispielsweise Sportlerinnen oder Sportler mit Verletzungen oder starken Ermüdungserscheinungen nach einem Wettkampf.

Fazit: Nahinfrarotlicht ist ein Thema, das ich im Auge behalten werde

In der Forschung zur Photobiomodulation hat sich in den letzten Jahren viel getan. Dass das Potenzial gegeben ist, um die Heilung von Sportverletzungen zu unterstützen und vielleicht auch die Leistung zu steigern, liegt nah. Nach dem kurzen Anwenden des Geräts im Hotel kann ich nicht viel sagen, ausser, dass ich Nahinfrarotlicht bei der nächsten Sportverletzung sicher ausprobieren werde. Auf die Wirkung bin ich gespannt.

Falls du ein Nahinfrarotlicht suchst, um die Effekte selbst zu erkunden, findest du bei uns im Shop die folgenden Produkte:

Titelfoto: Siri Schubert

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Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.


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