Wechseljahre: Sie beginnen schon mit Ende 30, aber es wird halb so wild
Hintergrund

Wechseljahre: Sie beginnen schon mit Ende 30, aber es wird halb so wild

Annalina Jegg
11-9-2022

Die Wechseljahre sind viel mehr als nur Hitzewallungen. Aber oft sie sind auch viel weniger schlimm, als Frauen weisgemacht wird. Hier liest du, wieso das Klimakterium auch Vorteile mit sich bringt. Und warum es wichtig sein kann, mehr zu wissen als dein Arzt oder deine Ärztin.

Wechseljahre, Klimakterium, Menopause: Begriffe für ein- und dasselbe Phänomen, das die meisten von uns mit einem Gedanken verknüpfen: dem Altwerden. Dazu Hitzewallungen, weniger Lust auf Sex und Stimmungsschwankungen ... Nein, danke! Dabei muss der Wechsel nicht wie ein Damoklesschwert über den Köpfen von Frauen hängen. Wir haben zwei Gynäkologinnen gefragt, was Frauen im neuen Lebensabschnitt erwartet und wie sie diesen genießen können.

Das passiert, wenn der Körper (zum zweiten Mal) einen Wechsel durch macht

Keine Frau braucht sich vor dem Wechsel zu fürchten, denn sie hat schon einmal in ihrem Leben eine gravierende Hormonumstellung erlebt: in der Pubertät. Frauenärztin Doris Maria Gruber erklärt: «Mithilfe des Gehirns, dem Dirigenten, wird in der Pubertät das Hormonorchester gestimmt.» Nacheinander werden die Hormone in Stellung gebracht, das dauert rund vier bis sechs Jahre. Nicht anders ist es später im Wechsel: Auch hier gibt das Gehirn das Kommando – mit dem Unterschied, dass es dieses Mal einem Hormon nach dem anderen sagt, wann es aufhören soll zu wirken.

Im Durchschnitt erleben Frauen das Klimakterium um das fünfzigste Lebensjahr, sagt Gynäkologin Silke Bartens. Aber die Bandbreite ist groß: «Es gibt auch diejenigen, die schon mit Anfang 40 keine Periode mehr haben, wie auch Frauen, die noch mit 55 Jahren menstruieren.» Die gute Nachricht: Manche Frauen leiden nicht, rund ein Drittel der Frauen hat während der Wechseljahre gar keine Symptome. Ein Drittel hat leichte Beschwerden und ein Drittel sehr starke. Spoiler: Wechseljahrsbeschwerden können sich von Phase zu Phase unterscheiden!

Wechseljahre: Symptome und Beschwerden

Was auf jeden Fall passiert: Der Zyklus verändert sich. Die Blutungszyklen werden unregelmäßig, die Blutungen länger oder kürzer, stärker oder schwächer. Die Wechseljahre nur auf Schweißausbrüche, trockene Vagina und verminderte Libido zu reduzieren, greift zu kurz. Es gibt ein Riesenspektrum an Symptomen, die Frauen betreffen können, aber nicht müssen. «Das Problem dabei ist: Kaum ein Arzt betrachtet die Symptome im Gesamten und schließt so auf die Wechseljahre», sagt Gruber. Denn hat eine Frau Gelenkschmerzen, sucht sie für gewöhnlich eine Orthopädie-Praxis auf, bei psychischen Problemen eine psychiatrische. Zudem werden die einzelnen Phasen der Wechseljahre in der medizinischen Ausbildung in der Regel nur gestreift. «Wir müssen die Symptome holistischer sehen und nicht auf ein Organ runterbrechen», sagt Gruber. Ihr Rat: Ruhig mutig sein und den Arzt bzw. die Ärztin direkt darauf ansprechen, ob es die Wechseljahre sein könnten.

Unser Körper macht es uns nicht ganz einfach, von einem aufs andere zu schließen, da sich die Symptome während des Wechsels auch noch unterscheiden. Zu Beginn verspüren Frauen oft Symptome, die sie gar nicht mit den Wechseljahren in Verbindung bringen: Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Depressionen. In der nächsten Phase kann es weitergehen mit: Stimmungsschwankungen, geschwollenen Gelenken, Brustschmerzen, Zyklusstörungen, schlechterem Schlaf und Gewichtszunahme, trockenen Augen.

Steckt die Frau mitten im Wechsel, können Klassiker auftreten wie: Hitzewallungen, Nachtschweiß, trockene, brennende oder juckende Vagina, Schmerzen beim Sex, verminderte Libido. Doch das ist nicht alles: Wer im Ratgeber «Woman on fire» von Dr. Sheila de Liz blättert, bekommt eine lange Liste der – möglichen – Symptome serviert: Depressionen, Ängste, Wutanfälle, Haarverlust, Denk- und Merkschwierigkeiten, Haarverlust, Hautprobleme, Migräne, Herzrhythmusstörungen, häufige Blasenentzündungen, nächtlicher Harndrang, Tinnitus/Hörverlust, starke PMS, Inkontinzenz ...

Dabei gilt: Jede Frau erlebt ihren Wechsel individuell. Und, noch einmal, es kann ganz ohne Symptome über die Bühne gehen. Gynäkologin Gruber bringt es auf den Punkt: «Keine leidet wie die andere!» Genau wie damals, in der Pubertät.

Ursache Hormone: Östrogen und Progesteron

Warum das alles? Was passiert im Körper, wenn Frauen in die Wechseljahre kommen? «Die Hormonproduktion aus den Eierstöcken und anderen Organen wird weniger», sagt Expertin Bartens. Dabei spielen vor allem die Hormone Östrogen und Progesteron eine Rolle. Deren Produktion lässt bereits ab Ende 30, Anfang 40 immer mehr nach – ganz sachte wird der weibliche Körper umgestellt. Auch wenn Frauen noch regelmäßig ihre Periode bekommen und sogar noch schwanger werden können, verändert sich der Hormonhaushalt. Was bei manchen Frauen mit leichten Veränderungen in der Befindlichkeit sorgen kann. Also dann, wenn sie bei weitem noch nicht an den Wechsel denken.

Bis dahin hat sich im Körper einer Frau schon über Jahrzehnte jede Menge getan: Mädchen kommen mit einer festgelegten Anzahl an Follikeln bzw. Eibläschen zur Welt, aus denen später die Eizellen gebildet werden. Anfangs sind das mehrere Millionen Eibläschen, die Zahl verringert sich während der Pubertät auf 100 000 bis 400 000 und nimmt mit jedem Eisprung ab. Mit etwa 50 Jahren sind alle Follikel aufgebraucht. Dadurch nimmt die Östrogenproduktion, für die die Follikel verantwortlich sind, immer mehr ab. Als Folge setzt schließlich die letzte Menstruationsblutung ein, die Menopause.

Du dachtest wahrscheinlich, der Begriff Menopause bezeichnet den ganzen Prozess inklusive Hitzewallungen. Falsch: Die Menopause ist genau und nur die Dauer der allerletzten Periode.

Peri-, Prä- und Postmenopause: Die Wechseljahre verlaufen in Phasen

Was wir dagegen als Wechseljahre bezeichnen, heißt eigentlich Perimenopause: Die Phase um das 50. Lebensjahr, wo Hitzewallungen, Zyklusunregelmäßigkeiten, trockene Augen und Co. zuschlagen. «Übrigens sind es nicht immer Wechseljahre, manchmal sind es auch nur Wochen oder Monate», weiß Bartens.

Die Zeit vor dem eigentlichen Wechsel nennt sich Prämenopause. In dieser spüren Frauen oft erste körperliche Veränderungen, manche im Zyklus, andere – siehe oben – an anderen Stellen, die mit den weiblichen Organen nichts zu tun haben. Ist der Spuk schließlich vorbei und die letzte Blutung geblutet, gehen wir über in die Postmenopause: Der Körper wird hormonell neu eingestellt, Beschwerden lassen immer mehr nach. Es können aber auch neue Symptome hinzukommen, wie Unverträglichkeiten gegen Laktose oder Kosmetika, Probleme mit der Schilddrüse und und und. Umso wichtiger, in dieser Zeit eine gute fachärztliche Begleitung zu haben, die die Beschwerden ernst nimmt und gegebenenfalls therapiert.

Sexualität und Verhütung im Wechsel

Keine Regel mehr, keine Lust mehr auf Sex? Davor fürchten sich viele Frauen. So einfach ist das aber nicht. «Probleme wie Libidoverlust, Trockenheit und andere Symptome waren früher ein Tabu. Heute wird darüber gesprochen», sagt Frauenärztin Bartens. Keine Lust auf Sex kann mit dem Wechsel zusammenhängen. Muss aber nicht. Mögliche Ursachen für eine verringerte Libido sind auch die Beziehung zum Partner oder die Einstellung zum eigenen Körper. Sie rät: «Mit dem Frauenarzt bzw. der Frauenärztin kannst du Beschwerden besprechen und Hilfsmöglichkeiten überlegen.»

Tatsache ist aber auch: Manche Frauen blühen nach dem Wechsel sexuell richtig auf. Frühere Sorgen wie eine ungewollte Schwangerschaft, Zellulite-Dellen oder Speckröllchen am Bauch verfliegen mit dem Wechsel. Jetzt zählt für sie nur noch eins: Die Lust an der Lust. (Sollte die Schleimhaut der Vagina beim Sex schmerzen, weil sie durch die Hormonumstellung dünner geworden ist, kann eine östrogenhaltige Salbe helfen.)

Wann mit Verhütung Schluss ist, klärst du am besten mit deinem Frauenarzt bzw. deiner Frauenärztin. Generell gilt: Ist die letzte Regelblutung mindestens ein Jahr her, ist Verhütung meist nicht mehr notwendig.

Weitere Vorteile: So wird dein neuer Lebensabschnitt der beste deines Lebens

Viele Wechseljahresbeschwerden lassen sich nachweislich durch Sport verbessern. Auch kleine Pausen und viel Ruhe helfen, Symptome zu lindern. Fest steht jedenfalls: Das Klimakterium ist kein Monster, das dir die Fruchtbarkeit nimmt und dich in eine vertrocknete Rosine verwandelt. «Es bietet die Chance, manches zu verändern», sagt Bartens.

Diese Chance bietet dir dein eigener Körper sogar an, denn: Die vielen Versorgerhormone, die Frauen in der ersten Lebenshälfte produziert haben, spielen jetzt nur noch eine untergeordnete Rolle. Wir kümmern uns nicht mehr so stark um die Bedürfnisse anderer.

Damit steht ein Perspektivenwechsel bevor. Ist der hormonelle Nebel verschwunden, fragen sich viele Frauen zum ersten Mal seit der Pubertät wieder: Was will ich für mich tun?

Wenn du gut durch den Wechsel kommen willst, rät Gruber: «Such dir einen Frauenarzt, der auf die Wechseljahre spezialisiert ist.» Leider werden die Wechseljahre in der Facharztausbildung nur angeschnitten, nicht fundiert gelehrt. Darum kennen sich Gynäkologinnen oft nicht gut genug aus mit der besonderen Zeit im Leben jeder Frau. Frag am besten deinen Frauenarzt, ob er eine spezielle Zusatzausbildung gemacht hat oder recherchiere im Internet nach einer Wechseljahrs-Spezialistin.

Wichtigster Tipp: Achte auf dich und suche dir Hilfe, wenn du selber nicht weiterweißt. Gruber sagt: «Nur eine gesunde Seele kann gesund alt werden.»

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Annalina Jegg
Autorin von customize mediahouse

Mich buchstabiert man so: Aufgeschlossen, Nachdenklich, Neugierig, Agnostisch, Liebt das Alleinsein, Ironisch und Natürlich Atemberaubend.
Schreiben ist meine Berufung: Mit 8 habe ich Märchen geschrieben, mit 15 «supercoole» Songtexte (die nie jemand
zu lesen bekam), mit Mitte 20 einen Reiseblog, jetzt Gedichte und die besten Beiträge aller Zeiten! 


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