
Meinung
Klickpedale? Ja, Nein – Jein!
von Patrick Bardelli

Wirklich Spass macht es nicht, zumindest mir nicht. Trotzdem tue ich es immer wieder: drinnen auf der Stelle Velofahren. Oder anders gesagt: Cardiotraining mit einem smarten Rollentrainer.
Ein helles Licht am Ende des Tunnels und ich gehe oder besser fahre direkt darauf zu. Okay, eine Nahtod-Erfahrung ist es zwar nicht, da wollen wir mal nicht übertreiben und schön auf dem Boden, pardon, der Rolle bleiben. Nach einem 60-minütigen Workout bin ich jedoch froh, dass mein altes Gravelbike fix am Direct-Drive-Trainer Suito-T von Elite befestigt ist. Sonst wäre ich schon mehr als einmal nach der virtuellen Ziellinie mitsamt dem Bike ausgepumpt im Strassengraben gelandet.
Bei diesen Rollentrainern mit Direktantrieb wird das Hinterrad abmontiert und die Kette direkt auf die im Gerät installierte Kassette gespannt. Diese Technologie eliminiert den Schlupf des Reifens bei jeder Geschwindigkeit und Leistung. Oder einfach: Das Durchdrehen der Räder wird verhindert. Das ist genauer und das Fahrgefühl realistischer.
Der erwähnte Strassengraben ist in meinem Fall der harte Boden meiner zur Pain Cave umgenutzten Garage. Pain Cave? Auch so eine neudeutsche möchtegern moderne Marketinghülse. Wobei Schmerzhöhle eben schon ziemlich nahe an der Realität ist. Ganz im Gegensatz zur Art und Weise, wie die Hersteller der gängigen Modelle ihre Produkte vermarkten. Die sterile Ästhetik könnte nicht weiter von meiner schweissnassen Trainings-Realität entfernt sein.


Zuletzt habe ich im Winter 2022/23 gezielt auf der Rolle trainiert. Damals mit einem seinerzeit aktuellen Testgerät von Wahoo und der Trainings-App Systm. Unterdessen bin ich, wie erwähnt, wieder mit einem alten Modell von Elite «unterwegs». Und nutze neuderdings Rouvy für meine Workouts. Das Erscheinungsbild dieser Plattform liegt irgendwo zwischen der realen Bildwelt von Systm und der bunten Comicwelt von Zwift und trifft damit meinen Geschmack.

Allerdings wird das Training damit auch nicht einfacher. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich während 90 Minuten den Gardasee entlang fahre und dabei nur wenige Höhenmeter bewältige. Oder ein gezieltes Workout zur Steigerung der maximalen Sauerstoffaufnahme pro Minute und Kilogramm Körpergewicht bei maximaler körperlicher Belastung, kurz VO2max, absolviere. Am Ende heisst es eigentlich immer: Game Over. Folge dem Licht am Ende des Tunnels.
Das Schlimmste an dieser Art des «Velofahrens» sind nicht mal die sauren Beine und die damit verbundenen Schmerzen in den Oberschenkeln. Auch nicht das beklemmende Gefühl, wenn der Puls auf 180 Schläge pro Minute schnellt. Das Schlimmste ist die Monotonie.
Mehr als 90 Minuten habe ich noch nie geschafft. Du sitzt an derselben Stelle und strampelst dir einen runter. Irgendwann kommt der Moment, wo es dann auch keine Rolle mehr spielt, welche Art von Avatar durch welche wie auch immer gestaltete Art von Landschaft «fährt». Ich bleibe am selben Ort sitzen, mit derselben Aussicht und möchte nur noch raus.
Unterdessen habe ich herausgefunden, dass ein für meine Psyche ertragbares Workout auf der Rolle irgendwo zwischen 30 und maximal 60 Minuten dauern kann. Mehr nicht. Und ich habe erkannt, dass das wichtigste Produkt in diesem Zusammenhang nicht das Velo, nicht der Rollentrainer und auch nicht die Trainingsplattform ist. Es ist der Fahrtwindsimulator, der mir ein bisschen Kühlung verschafft.

Warum ich mich trotzdem zweimal pro Woche in meiner Pain Cave auf den Sattel schwinge? Weil ich gezielt trainieren kann und weil es hart für die Beine und den Kopf ist. Das Indoor-Rollentraining zwingt mich aus meiner Komfortzone. Und es führt mir sehr plastisch vor Augen, wie cool es doch ist, draussen in der Natur Velo zu fahren.
Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.
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