Siri Schubert
Hintergrund

Sauer macht…sportlich? Was es mit dem Essiggurkensaft-Hype auf sich hat

Gib deinen Krämpfen Saures: Das scheint das Motto vieler Ausdauersportlerinnen und -sportler zu sein. Jetzt hat sich die Saure-Gurken-Limo als Trendgetränk etabliert. Da muss ich schlucken.

In den USA ist es DAS Sommergetränk. Saure-Gurken-Limo macht auf Tiktok die Runde und schafft es sogar auf die Seiten der New York Times. Für mich ist es so schräg, dass sich meine Geschmacksknospen neugierig nach oben räkeln. Essiggurkenwasser, vermischt mit Zitrone, Sprudel und Zucker, soll nicht nur erfrischen, sondern auch die Dauer von Krämpfen beim Sport verkürzen.

Ideal also für mich als Sportlerin. Schliesslich bin ich immer auf der Suche nach Alternativen zu süssen Elektrolytgetränken. Einer meiner aktuellen Favoriten ist Instant Kaffee in kaltem Wasser aufgelöst. Aus dem Flask am Laufrucksack kann ich dann hin und wieder einen Schluck nehmen – das gibt mir einen Koffeinschub und sorgt für geschmackliche Abwechslung.

Sollen saure Gurken und Limettensaft in meine Flask?
Sollen saure Gurken und Limettensaft in meine Flask?

Warum also nicht mal Essiggurkenwasser? Bei Sportlerinnen und Sportlern steht die saure Brühe schon lange hoch im Kurs. Die Krampf-mindernde Wirkung wurde erstmals in einer kleinen Studie vor rund 15 Jahren gezeigt. Seither versuchen Forschende (meist ohne Erfolg), das Studienergebnis zu wiederholen und herauszufinden, warum genau der Saure-Gurken-Saft einem verkrampften Muskel Entspannung bringt. Meine Gesichtsmuskeln machen jedenfalls genau das Gegenteil, wenn ich einen Schluck Saures nehme.

Das Forschen nach dem Warum

Theorien gibt es viele. Zunächst nahmen Wissenschaftler an, der hohe Salzgehalt der Lake könne Krämpfen vorbeugen. Das liess sich aber bisher nicht nachweisen. Dennoch kann Pickle-Juice, wie der Gurkensaft auf Englisch heisst, an hitzigen Sommertagen den Salzverlust beim Schwitzen ausgleichen und – je nach Temperatur und Grad der Anstrengung – Salztabletten ersetzen oder ergänzen.

Als nächstes gingen Forscher der Vermutung nach, dass der saure Saft Rezeptoren im hinteren Teil des Rachens aktiviert und dadurch einen Reflex auslöst, der Krämpfe unterdrückt. Ich stelle mir das ein bisschen wie einen Reset-Knopf vor, der durch den sauren Schock die Muskelanspannung im Körper zurücksetzt.

In einem BBC-Artikel sagt Mayur Ranchordas, Professor für Sporternährung und Bewegung an der Sheffield Hallam University, dass der Gurkensaft noch wirksamer werde, wenn er mit Chilischoten versetzt wird. «Je schlimmer der Geschmack, desto wirksamer ist es», meint Mayur.

Saure Gurken in der Sportnahrung

Weil das Trinken des Safts vor dem Sport nichts bringt und die wenigsten beim Laufen ein Glas Gurkensaft mit sich herumschleppen, bieten Sportnahrungshersteller wie Sponser inzwischen Produkte wie den «Muscle Relax Sour Shot» an. Der Saft in Fläschchen enthält neben Gurkensaft und Essigsäure auch Magnesium, Ingwer und Chinin.

Das erste Mal half mir eine Freundin mit einem Sour Shot aus, als ich beim Trailrunning einen Wadenkrampf erlitt. Brrr – richtig sauer. Zehn Sekunden sollte ich die Flüssigkeit im Mund behalten und erst dann schlucken, sagte sie mir. So steht es auch auf der Verpackung.

Den sauren Kurzen habe ich bei langen Läufen mit Krampfgefahr dabei.
Den sauren Kurzen habe ich bei langen Läufen mit Krampfgefahr dabei.

Ich hielt tapfer durch und tatsächlich verschwand der Krampf. Wie viel davon dem Placebo-Effekt oder dem Schock für meine Geschmacksnerven geschuldet ist, kann ich nicht sagen. Aber da auch schon der Glaube an etwas manchmal hilft und der psychologische Effekt in einer kleinen Studie gezeigt wurde, stecke ich für lange Läufe mit viel Hitze und Höhenmetern jetzt gerne ein Fläschchen Saures ein.

Saure-Gurken-Limo selbstgemacht

Als Erfrischung zwischendurch taugen die kleinen Portionen nicht. Deshalb habe ich die Gurken-Limo selbst gebraut. Aus Gurken- und Zitronensaft mit Zucker und Wasser.

Auf ein genaues Verhältnis habe ich nicht geachtet, sondern so lange die eine oder andere Zutat eingerührt, bis ich ein Getränk hatte, das angenehm süss-sauer und ein bisschen salzig schmeckte. Da ich es beim Laufen trinke, mache ich mir über den Zucker keine Sorgen. Im Gegenteil, er liefert Kohlenhydrate, die ich bei längeren Anstrengungen brauche.

Wenn du den Elektrolytgehalt noch erhöhen willst, kannst du statt normalem Wasser auch Kokoswasser nehmen. Dadurch erhält das Getränk noch zusätzlich Kalium. Vorsicht allerdings, wenn du an Bluthochdruck oder Nierenproblemen leidest oder das Getränk nicht beim Sport schlürfst. Dann könnte dir der hohe Salz- und Zuckergehalt zu schaffen machen. Auch für empfindliche Mägen ist der saure Drink nichts.

So ganz kann ich den Hype in den USA zur Pickle-Juice-Lemonade nicht nachvollziehen. Doch um hin und wieder meine Trinkflasks aufzufüllen und etwas Abwechslung in die Sportgetränke zu bringen, finde ich das süss-salzig-saure Getränk nicht schlecht. Vor allem in der Saure-Gurken-Zeit.

Titelbild: Siri Schubert

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Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.

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